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Autor Thema: Nostalgie  (Gelesen 9188 mal)

-]T[-krusty

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Nostalgie
« am: 12:53:35 ,30 Juni 2010 »

Habe gerade den ersten Teil der Einleitung zu meiner Diplomarbeit zum Thema Computer- und Onlinesucht geschrieben.

Da kommen doch ein paar Erinnerungen wieder hoch, deshalb dachte ich, ich teile mein Geschwafel mal mit euch:


"Die Entscheidung mich in meiner Diplomarbeit mit dem Thema Computer- und Onlinesucht auseinanderzusetzen ist in meiner persönlichen Erfahrung begründet. Als im Jahr 2005 das Erscheinen von „World of Warcraft“, einem Online-Rollenspiel anstand, wurde ich durch verschiedene Begebenheiten darauf neugierig gemacht. Ein Freund, der schon immer Rollenspiele spielte, lobte das Spiel schon vor seinem Erscheinen in den Himmel und war sich sicher, dass es das beste (Online-)Rollenspiel aller Zeiten werden würde. Die Herstellerfirma Blizzard Entertainment war mir als Computerspieler natürlich ein Begriff, kannte ich doch die äußerst erfolgreichen „Starcraft“- und „Warcraft“-Serien, Serien von Echtzeitstrategiespielen, mit welchen sich die Firma einen guten Namen gemacht hatte. Dass in Südkorea „Starcraft“ praktisch Volkssport ist und die Spiele in Stadien stattfinden, sowie im Fernsehen übertragen werden wusste ich auch. Das alles sprach für die Qualität des kommenden Rollenspielüberfliegers „World of Warcraft“.
Zu dieser Zeit spielte ich in einem Clan, einer Spielergemeinschaft von etwa 15 Personen, regelmäßig den relativ unbekannten Taktik-Shooter „Söldner – Secret Wars“. Fast jeden Abend wurde gemeinsam gespielt, bis die ersten Clanmitglieder an einen Zugang zum „World of Warcraft“- Betatest (Testprozedur vor Erscheinen eines Spiels, wobei ein geschlossener Spielerkreis das Produkt auf Fehler kontrolliert) kamen. Erste begeisterte Berichte machten die Runde, nach und nach wurden immer mehr Söldner-Spieler zu Beta-Testern. Auch wenn ich völlig überzeugt war, für ein Spiel niemals monatliche Gebühren zu entrichten, beugte ich mich dem Gruppendruck und besorgte mir auch einen Zugang zum Betatest. So begann meine „Karriere“ als Tauren-Schamane in der „Welt der Kriegskunst“. Erste Aufgaben waren schnell gelöst und mein Schamane wurde rasch stärker und mächtiger. Mit den Clankameraden zusammen war das Umherstreifen in den verschiedenen Gebieten des Spiels natürlich noch ansprechender, also wurde Gewehr gegen Schwert getauscht und der Clan hieß fortan „Gilde“.
Als der Beta-Test endete waren es noch wenige Wochen bis zum offiziellen Verkaufsstart. In dieser Zeit saugten wir alle Informationsschnipsel auf wie ein Schwamm und diskutierten uns die Köpfe über die Wahl der „richtigen“ Charakterklasse heiß – niemand konnte den Start des Spiels erwarten und die vorherigen Bedenken über die monatliche Gebühr waren verschwunden. So kam es, dass ich am Veröffentlichungstag pünktlich morgens zur Ladeneröffnung vor einer kölner Saturn-Filiale stand, natürlich nicht ohne ein paar Tage zuvor vorbestellt zu haben, damit ich auch sicher sein konnte ein Exemplar abzubekommen. Zuhause angekommen konnte die Installation nicht schnell genug gehen, aber da ich nicht der einzige Student unserer Spielergruppe war, war ich nicht alleine mit meiner Ungeduld. Über Teamspeak (Sprachkommunikationsprogramm) konnten wir uns austauschen und gegenseitig „heißreden“ bis endlich alle Hürden genommen waren und der Ansturm auf die virtuelle Welt beginnen konnte.
In den folgenden zwei Jahren, unterbrochen durch eine mehrmonatige Pause, verbrachte ich einen Großteil meiner Zeit im Spiel. Die erste Handlung am Morgen war der Gang zur Kaffeemaschine, während der Computer bereits startete. Meist waren auch ein paar Gildenkameraden online, so dass der Tag in der Regel in „World of Warcraft“ verbracht wurde, falls nicht lästige Verpflichtungen in der realen Welt dazwischenkamen, die ich aber meistens auf ein Minimum beschränken konnte. Meine sozialen Kontakte pflegte ich trotzdem weiter und verbrachte meist ein bis zwei Tage am Wochenende mit Freunden und Bekannten. Der Ausstieg aus der virtuellen Welt verlief über mehrere Wochen in denen ich von Tag zu Tag weniger Lust auf das Spiel hatte, bis ich eines Tages merkte, dass ich zwar meine monatliche Gebühr bezahle, aber kaum noch online war. Daraufhin kündigte ich mein Spielabonnement und konnte zu meiner Überraschung auch sehr gut ohne das Spiel leben."
« Letzte Änderung: 12:55:45 ,30 Juni 2010 von -]T[-krusty »
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-]T[-El_Supremo

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Antw:Nostalgie
« Antwort #1 am: 13:50:46 ,30 Juni 2010 »

Sehr schön (und auch für den Laien verständlich) geschrieben. Sobald Du mehr geschrieben hast, würde ich das auch gerne lesen. Allerdings finde ich es erstaunlich, an welche Details Du Dich noch erinnern kannst. Das einzige, woran ich mich noch erinnern kann, ist, dass der ORF, aufgrund der monatlichen Gebühren grundsätzlich gegen WoW eingestellt, am Abend der Veröffentlichung des Spiels vorbeikam, um sich am nächsten Tag direkt WoW zu organisieren. :D

P.S.: Need moar huntards!
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-]T[-krusty

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Antw:Nostalgie
« Antwort #2 am: 14:10:45 ,30 Juni 2010 »

Bis auf zwei Zwischenfazits und das Korrekturlesen ist die Arbeit fertig. Giev email and I giev .pdf!
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-]T[-krusty

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Antw:Nostalgie
« Antwort #3 am: 14:13:33 ,30 Juni 2010 »

 1 .Einleitung     ...

 2 .Computerspielsucht     ...
 2.1 .Was sind Computerspiele?     ........................................................................
 2.1.1 .Voraussetzungen zur Nutzung     .........................................................
 2.1.1.1 .PC     ...
 2.1.1.2 .Spielkonsolen     ...................................................................................
 2.1.2 .Virtuelle Welten und Räume     ..............................................................
 2.1.3 .Klassifikation der Computerspiele     ...................................................
 2.2 .Was fasziniert an Computerspielen?     ......................................................
 2.2.1 .Macht, Herrschaft und Kontrolle     ......................................................
 2.2.2 .Vier Funktionskreise nach Fritz     .........................................................
 2.2.2.1 .Pragmatischer Funktionskreis     ....................................................
 2.2.2.2 .Semantischer Funktionskreis     .....................................................
 2.2.2.3 .Syntaktischer Funktionskreis     ......................................................
 2.2.2.4 .Dynamischer Funktionskreis     ......................................................
 2.3 .Diagnosemöglichkeiten und Merkmale der Computerspielsucht
 2.3.1 .Computerspielsucht als eine Form der Verhaltenssucht     .........
 2.3.2 .Diagnosemöglichkeit in Anlehnung an substanzgebundene
Süchte     ...
 2.4 .Wie entsteht Computerspielsucht?     ........................................................
 2.4.1 .Lerntheoretischer Erklärungsansatz     ...............................................
 2.4.2 .Integrativer psychobiologischer Ansatz     ........................................
 2.4.3 .Kognitive Ansätze     ..................................................................................
 2.4.4 .Homöostatisches Modell     ....................................................................
 2.5 .Fazit     ...

3.Onlinesucht     ...
 3.1.Das Internet     ...
3.1.1.Entstehung und Entwicklung     ............................................................
3.1.2.Entwicklung der Internetnutzung in Deutschland     ....................
 3.2.Symptomatik und Diagnostik     ...................................................................
 3.3.Verbreitung der Internetabhängigkeit     ..................................................
 3.4.Massively Multiplayer Online Role-Playing Games     ...........................
 3.4.1 .World of Warcraft     ...................................................................................
 3.4.1.1 .Aufbau     ................................................................................................
 3.4.1.2 .Faszination     ........................................................................................
 3.5.Fazit     ...

 4.Prävention     ...

 5.Intervention     ...
 5.1.Therapiekonzept der AHG Klinik „Schweriner See“     ..........................
 5.1.1.Therapeutische Schwerpunkte     ........................................................
 5.1.2.Gruppentherapie „Pathologischer PC-Gebrauch“     ......................
 5.1.3.Therapieziele     ...........................................................................................
 5.1.4.Therapiebausteine     ................................................................................

 6.Gefangen in virtuellen Welten?     .....................................................................................

 7.Ausblick     ...


Literatur

I.Literaturverzeichnis     ...

Anhang

I.Abkürzungsverzeichnis     ...
II.Abbildungsverzeichnis     ...
III.Tabellenverzeichnis     ...
IV.Internetquellen (auf Daten-DVD)     .................................................................................
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Antw:Nostalgie
« Antwort #4 am: 15:35:38 ,30 Juni 2010 »

duke a.....t schralli.de

edit krusty:

Hab mal die Adresse für bots unlesbarer gemacht, sonst hast du bald mehr Post als dir lieb ist.

Wer Interesse hat kann mir seine mail per pm zukommen lassen, versende dann die Arbeit wenn sie komplett fertig ist - also Montag oder Dienstag.
« Letzte Änderung: 15:38:50 ,30 Juni 2010 von -]T[-krusty »
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« Antwort #5 am: 07:23:20 ,01 Juli 2010 »

Oh ja, das weckt Erinnerungen......^^
Aber dein Erinnerungsvermögen ist nicht von schlechten Eltern^^

Was ist dann das Endergebnis?Du bist jetzt nicht mehr "WoW-süchtig", sondern sitzt dafür so den ganzen Tag am PC an anderen Games?^^
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« Antwort #6 am: 09:26:58 ,01 Juli 2010 »

Oh ja, das weckt Erinnerungen......^^
Aber dein Erinnerungsvermögen ist nicht von schlechten Eltern^^

Was ist dann das Endergebnis?Du bist jetzt nicht mehr "WoW-süchtig", sondern sitzt dafür so den ganzen Tag am PC an anderen Games?^^

Meine Arbeit ist keine Selbstanalyse, wie man am Inhaltsverzeichnis erkennen kann  :P

Die Grenzen zwischen exzessiver Nutzung und süchtigem Verhalten sind völlig fliessend, so dass man phasenweise sicher
von Sucht sprechen kann. Interessanterweise sind PC-/Onlinesucht offiziell keine anerkannten Störungsbilder und
die Wissenschaft diskutiert/streitet über verschiedene Diagnoseansätze. Es gibt auch keine klar definierte Benennung
der einzelnen Störungsbilder, man findet in der Literatur etwa 10 verschiedene Begriffe, die alle das gleiche meinen können,
oder auch nicht, je nach Autor. Also ist alles - typisch geisteswissenschaftlich - sehr relativ  ;D
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Antw:Nostalgie
« Antwort #7 am: 10:42:35 ,01 Juli 2010 »

Ist aus meiner Sicht auch keine Krankheit - sondern eher ein Grenzbereich zw. "Unterhaltung" und im Extremfall "sozialer Unfähigkeit / mangelndem Selbstbewusstsein"

Nicht alles was man in grösseren Mengen "konsumiert" ist zwanghaft eine Sucht/Krankheit.....
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-]T[-krusty

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« Antwort #8 am: 11:37:52 ,01 Juli 2010 »

Deine Sicht ist auch die eingeschränkte von jemandem, der sich mit dem Thema nicht auseinandergestzt hat  :P

Anfang Juni war ich auf einer Fachtagung zum
Thema. Da meinte jemand aus einer grossen Beratungsstelle in Berlin, dass zu ihm neulich eine Mutter kam und sowas meinte wie
"mein Sohn ist 29, hat seit 2 Jahren sein Zimmer nicht mehr verlassen, wiegt noch 35kg und wird wohl diesen Sommer nicht
überleben".

Nur soziale Unfähigkeit / mangelndes Selbstbewusstsein oder doch ein wenig sicko?

(...)

Nicht alles was man in grösseren Mengen "konsumiert" ist zwanghaft eine Sucht/Krankheit.....

Das hingegen ist völlig richtig. Wie bereits geschrieben sind die Grenzen fliessend, kommt auch sehr
auf die Persönlichkeitsstruktur an. Manche Menschen werden zu Alkoholikern wenn sie drei mal eine
Bierwerbung sehen...

P.S.

Hier kann man auch mal so eine Geschichte eines etwas "schlimmeren" Falls lesen:

http://rollenspielsucht.de/

Kurz und knackig:

Warum World of Warcraft süchtig machen kann
« Letzte Änderung: 11:54:01 ,01 Juli 2010 von -]T[-krusty »
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Antw:Nostalgie
« Antwort #9 am: 12:27:10 ,01 Juli 2010 »

Wie gesagt - da hat der 29 jährige eindeutig ein soziales Problem - selbst wenn ich wollte, würden meine Frau/Kind/Freunde niemals zulassen das ich am PC verwese.....auch habe ich keine Charakteristika von Sucht....oder Entzugserscheinungen....lol.
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-]T[-krusty

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« Antwort #10 am: 12:37:21 ,01 Juli 2010 »

Ich will hier sicherlich auch niemandem eine Sucht andichten, das muss jeder mit sich selbst ausmachen.

Du gehst nur von dir selbst aus, was sicherlich aus deiner Sicht legitim ist. Mein Fall von "Sucht", so man es denn so nennen
kann und will, ist sicherlich auch sehr unproblematisch verlaufen. Bei einer Diskussion über ein Thema kann man
gerne eigene Erfahrungen mit einbringen, man selbst ist aber nicht Diskussionsgegenstand. Es gibt noch
andere Leute mit wesentlich anderen Problemlagen, um die geht es vorwiegend in meiner Arbeit.
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Antw:Nostalgie
« Antwort #11 am: 13:06:54 ,01 Juli 2010 »

Nun, aber ist die Wurzel dessen nicht ein soziales Problem?Oder eben mangelndes Selbstbewusstsein?
Welche Ursachen sollte es denn sonst haben?
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Antw:Nostalgie
« Antwort #12 am: 13:13:31 ,01 Juli 2010 »

Was ich gerade bei Onlinesucht im Allgemeinen und Rollenspielsucht im Besonderen auffällig finde, ist, dass überdurchschnittlich viele Menschen, die ich zu dem Thema gehört habe und die aus eigener Erfahrung gesprochen haben, festgestellt haben, dass sie an Online-/ Rollenspielen die Möglichkeit schätzen, im weitesten Sinne ins Geschehen einzugreifen, sozusagen die Welt zu verändern. Das deutet im Umkehrschluss darauf hin, dass sie diese Möglichkeit im normalen Leben nicht oder zumindest nicht in ausreichendem Maße sehen. Ich finde es höchst auffällig, dass dieses Bestreben, die "wirkliche Welt" zugunsten einer "virtuellen Welt" aufzugeben, viele Parallelen zu jenen entfremdeten Menschen erkennen lässt, die sich in die "literarische Welt" geflüchtet haben, wie sie von Heinrich Heine oder Michail Bakunin im Deutschland und Russland der 1830er Jahre beschrieben wurden. So etwas deutet, wenn es sich nicht um Ausnahmefälle handelt, in der Regel auf tiefgreifende soziale Ursachen hin und macht vielleicht verständlich, warum Onlinesucht, wie Du sagst, so stiefmütterlich behandelt wird.

Dass es keine feststehende Definition von Sucht gibt, ist auch beinahe selbstveständlich. Zum einen sind gerade Alltagswörter nun mal durch ihren Gebrauch in der Sprache bestimmt, bevor ihnen eine spezifisch fachwissenschaftliche Bedeutung gegeben wird. Zum anderen sehe ich bei diesem Wort ein ähnliches Problem, wie beim Begriff "Terrorismus", der auch noch nie juristisch definiert war, weil dann jeder Staat fürchten müsste, dass eigene Aktionen unter den Begriff gefasst werden könnten. Ähnlich könnten bei einer feststehenden soziologischen Definiton des Begriffs "Sucht" auch sozial nicht geächtete oder sogar geachtete Handlungen unter den Begriff fallen.
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« Antwort #13 am: 13:46:26 ,01 Juli 2010 »

Nun, aber ist die Wurzel dessen nicht ein soziales Problem?Oder eben mangelndes Selbstbewusstsein?
Welche Ursachen sollte es denn sonst haben?

Zitiere mich mal selbst  ;D

Untersuchungen und Analysen mit verschiedenen Ansätzen haben gezeigt, dass die Ursache von süchtigem Verhalten nicht an einem isolierten Faktor festzumachen ist, sondern durch unterschiedliche Faktoren und Voraussetzungen geprägt ist. Faktoren die einen Einstieg in die Abhängigkeit bedingen können sich von jenen unterscheiden, welche die Aufrechterhaltung und Fortführung des abhängigen Verhaltens bedingen1.
Wie der Substanzabhängige assoziiert auch der Computerspielsüchtige seinen exzessiven Suchtmittelgebrauch, in diesem Fall das Spielen am Computer, mit Entspannung und der Flucht aus der oft problembehafteten Realität. Weitere  als positiv empfundene Effekte sind Vertrautheit, Spaß, Glücks-, Macht- und Erregungsgefühle. Der Betroffene setzt sein exzessives Computernutzungsverhalten nicht mehr zweckgebunden (Unterhaltung, Lernen, Suche von Informationen) ein, sondern zweckentfremdet.

usw. etc. pp. ...

...

Gut beobachtet, Herr Felix  :) Die sog. "persistente Welt" ist in der derzeitigen wiss. Diskussion als ein zentraler Punkt
für die Sogwirkung solcher Spiele ausgemacht worden. Dazu kommt, dass man dadurch Angst hat etwas zu verpassen, da sich ja
die Welt auch weiterentwickelt wenn man offline ist - sei es durch Patches oder auch das Geschehen innerhalb der Gilde.

Das "Bestreben, die "wirkliche Welt" zugunsten einer "virtuellen Welt" aufzugeben" ist eine Grundcharakteristik jedes süchtigen
Verhaltens. Sei es die "virtuelle" literarische oder die "virtuelle" Erlebniswelt im Drogenrausch.
Auch "tiefgreifende soziale Ursachen" sind sicherlich ein zentraler Motivationspunkt jeglicher Art von Drogen- bzw. Suchtmittel-
kosum. Die "stiefmütterliche Behandlung" kommt eher daher, dass das Thema ein recht neues Phänomen ist und - wie du sicherlich weißt -
über jedes neue Phänomen in der Wissenschaft erstmal ein paar Jahre gestritten wird. Dass die Kostenträger bei Anerkennung als Krank-
heiten auch die nicht gerade günstigen mehrmonatigen Therapien zu zahlen hätten, tut sicher sein Übriges dazu.

Der Suchtbegriff ist sehr wohl klar und einheitlich definiert. Das Problem bei PC-/Onlinesucht fußt eher auf o.a. Gründen.
« Letzte Änderung: 13:49:59 ,01 Juli 2010 von -]T[-krusty »
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Antw:Nostalgie
« Antwort #14 am: 15:15:32 ,01 Juli 2010 »

Sicher ist die Möglichkeit des Entkommens oder des Vergessens ein zentrales Bestreben jeden Suchtverhaltens (abgesehen davon, dass beides: Erinnern und Vergessen Grundbestandteile menschlichen Daseins sind).

Worauf ich allerdings abzielte, ist etwas anderes. Die Legitimation moderner demokratischer Staats- und Gesellschaftsformen besteht in der Theorie darin, dass die Menschen auf dem Wege der Partizipation ein selbstbestimmtes Leben führen können. Anders formuliert: Politisches Handeln wird in der gängigen Selbstdarstellung als Ausdruck der Teilnahme mündiger Bürger verstanden. Die seit Jahrzehnten beklagte Politikverdrossenheit fußt schließlich gerade auf der Annahme, dass "die Massen" eigentlich gar nicht mit Politik, das heißt hier: mit der Teilnahme an politischen Prozessen der Entscheidungsfindung und Veränderung, belastet werden wollen. Entkommen in die "Scheinwelt" einer Onlinewelt, um dort Dinge selbständig anzustoßen und an dieser Veränderung teilzuhaben, weist aber eher darauf hin, dass es nicht der mangelnde Wille ist, an der Welt in irgendeiner Weise zu partizipieren, sondern dass keine oder nur eine geringe Möglichkeit zur Partizipation gesehen wird. Onlinesucht würde ich daher mit dem Willen und mangelnder Möglichkeit aktiver Partizipation in der Welt assoziieren. Und das deutet möglicherweise darauf hin, dass es entgegen der Theorie in der Praxis nicht genügend Partizipationsmöglichkeiten gibt und nicht an einer ominösen "Politikverdrossenheit" liegt.

Drogensucht hingegen hat eher wenig mit aktiver Teilnahme (außer bei Koks und Amphetaminen vielleicht :D) zu tun, sondern mit passivem Dulden und Erleiden.

Beides ist eine Flucht aus der "wirklichen Welt", aber Onlinesucht scheint mir eine Flucht in eine Welt der Möglichkeiten, des aktiven Handelns und Veränderns, der Selbstverwirklichung im entfernten Sinne, zu sein, während Drogensucht mir eher eine Flucht in eine Welt des Vergessens, des passiven Erleidens und Duldens und der Selbstaufgabe zu sein scheint.

Aber genug gequatscht! Ich muss noch ein paar Zeilen zur Flucht in die Welt des literarischen Salons des Vormärz lesen. ;)
« Letzte Änderung: 15:17:11 ,01 Juli 2010 von -]T[-El_Supremo »
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